Feuerwehrethik – ein Grundgesetz für die Feuerwehren
Von Hanjo von Wietersheim, Feuerwehrpastor
Es gibt Menschen, die halten Feuerwehrleute für unnormal, weil sie mit einem Piepser herumlaufen und jederzeit bereit sind, alles stehen und liegen zu lassen, um zum Einsatz zu rennen. Und immer wieder werden Feuerwehrleute für ihren Einsatz nicht bedankt, sondern beschimpft oder angezeigt – wegen angeblicher Verfehlungen. Und dennoch machen sie weiter…
Warum machen wir das? Warum leben wir ständig auf Abruf und warum helfen wir fremden Menschen, ob sie es uns danken oder nicht?
Wir tun es, weil wir es für richtig und für gut halten. Wir tun es, weil unsere ethischen Grundsätze dieses Handeln von uns verlangen.
Die ethischen Grundlagen der Feuerwehr kommen aus zwei Quellen: eine religiöse Quelle (Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr) und eine demokratisch-liberale Quelle (Einer für alle – alle für Einen).
Zusätzlich gibt es Wurzeln im Bürgersinn des 19. Jahrhunderts:
Nicht mehr Untertan sein, sondern freier Bürger.
Das eigene Schicksal selber in die Hand nehmen.
Gemeinsam für eine Sache einstehen.
Gemeinsam Schutz und Hilfe für den Heimatort organisieren.
Auch Ideen der Freimaurer haben eine Rolle gespielt: verständnisvolles Miteinander, Toleranz, praktizierte Meinungs-, Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Gleichwertigkeit aller Menschen.
Starke demokratische Strömungen stammen aus der Turnerbewegung, die oft Ursprung der Feuerwehren war.
Für den Einzelnen können aber auch andere Motive eine wichtige Rolle spielen: Tradition, Selbstbestätigung, öffentliches Ansehen, Abenteuerlust, Spaß an der Technik, Freude an Uniformen, Zusammengehörigkeit, Geselligkeit, bei Berufsfeuerwehrleuten auch der sichere Arbeitsplatz.
Trotz vieler Unterschiede hat sich weltweit eine Feuerwehrethik herausgebildet, die – soweit ich weiß – nie schriftlich fixiert wurde. Nach dem Vorbild der Grundsätze des Roten Kreuzes habe ich versucht, Grundsätze der Feuerwehr zu formulieren. Ich würde mich freuen, wenn sie zu einer Diskussion über Feuerwehrethik führen.
Menschlichkeit und universelle Hilfeleistung
Die Feuerwehr ist bemüht, menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern. Sie ist bestrebt, Leben, Gesundheit und materielle Güter zu schützen und der Würde der Menschen Achtung zu verschaffen.
Dies tut sie insbesondere durch die Mitarbeit im Rettungsdienst, die Sicherstellung des Brand- und Katastrophenschutzes und durch technische Hilfeleistung.
Viele Feuerwehrleute setzen für diese Hilfsbereitschaft ihre Gesundheit und ihr Leben ein.
Die Feuerwehr fördert gegenseitiges Verständnis, Freundschaft, Zusammenarbeit und einen dauerhaften Frieden unter allen Völkern.
Unparteilichkeit
Die Feuerwehr unterscheidet nicht nach Nationalität, Rasse, Religion, sozialer Stellung oder politischer Überzeugung. Sie ist einzig bemüht, den Menschen nach dem Maß ihrer Not zu helfen und dabei den dringendsten Fällen den Vorrang zu geben. Im Rahmen des Möglichen rettet die Feuerwehr auch Tiere und schützt die Umwelt.
Neutralität
Die Feuerwehr enthält sich der Teilnahme an Feindseligkeiten oder an politischen, rassischen, religiösen oder ideologischen Auseinandersetzungen.
Unabhängigkeit
Auch wenn Feuerwehren manchmal Teil der staatlichen Ordnungskräfte sind, müssen sich die Feuerwehrleute ihre innere Unabhängigkeit bewahren. Sie wissen, dass sie mit ihrer Hilfeleistung für Jedermann höheren Gesetzen folgen, als es nationale Regelungen sein können.
Freiwilligkeit
Die freiwillige Feuerwehr verkörpert freiwillige und uneigennützige Hilfe ohne jedes Gewinnstreben.
Universalität
Durch die gemeinsame Aufgabe fühlen sich Feuerwehrleute weltweit miteinander verbunden. Sie gewähren einander Gastfreundschaft. Feuerwehren respektieren die Arbeit der anderen und sind bemüht, einander zu helfen. Feuerwehrleute leisten ihr Äußerstes, wenn es darum geht, Kameraden aus Gefahr zu retten.
Aus Feuerwehr-Magazin N° 5 / 2004